Am Podium, v.l.n.r.:David Staubli, Marcel Schwerzmann, Beatrice Bieri, Reiner Eichenberger, Guido MüllerVeranstaltungsbericht zum Vortrag von Prof. Dr. Reiner Eichenberger in Luzern
 
Gespannt erwartete man den Auftritt von Prof. Dr. Reiner Eichenberger beim Verein Gegen GrossLuzern. Schliesslich ist der renommierte Wirtschaftsprofessor bekannt für seine prägnante Haltung zum Thema Gemeindefusionen. Die aus dem ganzen Kanton angereisten Besucher wurden nicht enttäuscht. In seinem kurzweilig-leidenschaftlichen Vortrag mit dem Schwerpunkt „Starke Stadtregion Luzern“ vermochte Eichenberger das Publikum in seinen Bann zu ziehen.
 
Mit Freude durfte Anian Liebrand die zahlreich erschienenen Gäste zur öffentlichen Veranstaltung „Braucht es GrossLuzern?“ im Restaurant Obermättli, Luzern-Reussbühl, willkommen heissen. Nebst über 50 parteiunabhängigen Interessierten, darunter auch einige jüngere Besucher, konnte er namhafte Politgrössen aus allen bürgerlichen Parteien begrüssen. Speziell willkommen geheissen wurde Nationalrätin Yvette Estermann aus Kriens.
 
Grösse bringt nicht mehr Einfluss
In seinem eigens für den Verein Gegen GrossLuzern (GGL) kreierten Referat betonte Reiner Eichenberger, wie wichtig ihm der Diskurs zum wichtigen Thema Gemeindefusionen sei. Von daher sei es ihm ein Anliegen, Denkanstösse zu geben und die Meinungsbildung mit seinen Thesen zu befruchten. Eichenberger sprach einfach und verständlich und brillierte doch mit Detailwissen um die politischen und historischen Zusammenhänge. Auf die bis vor kurzem geltende Lehrmeinung hinweisend, wonach die optimale Einwohnerzahl einer Schweizer Gemeinde zwischen 3‘000 und 5‘000 liege, rechnete Eichenberger vor, dass die Stadt Luzern folglich in 18 Optimalgemeinden gesplittet werden müsse. Nun wehe aber ein anderer Wind – immer mehr Politiker suchten das Heil in der Grösse. Dass dieser Schluss viel zu kurz gegriffen ist, legte Eichenberger anhand einiger Beispiele dar. Im Verhältnis Fläche zur Einwohnerzahl gehöre Luzern mit einer Stadtfläche von 37 km2 schon heute zu den Schweizer Spitzenreitern. Wozu also noch grösser werden?
 
Eine Fusion mit den Agglomerationsgemeinden würde Luzern auf Platz 4 der grössten Schweizer Städte katapultieren. Dadurch erhofft sich der Luzerner Regierungsrat mehr Gewicht auf nationaler Ebene sowie eine grössere Ausstrahlungskraft. Kann dies mit Fusionen erreicht werden? „Nein“, meint Reiner Eichenberger und führt aus, dass sich praktisch alle Schweizer Städte über mangelnden Einfluss beklagten. So hätten gerade erst 2009 die Kantone Bern und Zürich beschlossen, näher zusammen zu rücken, da sie auf Bundesebene nicht das Gewicht hätten, „das ihnen aufgrund ihrer Stellung eigentlich zustehen würde“. Wenn sich sogar Bern und Zürich, die zusammen ca. 30 % der Schweizer Bevölkerung ausmachen, über zu wenig Gewicht beklagen, liege es ja auf der Hand, dass sich Luzerner mit ähnlichen Problemen herumschlügen. Wachstum allein bringe darum keinen grösseren Einfluss. Schliesslich bleibe die Anzahl Volksvertreter des Kantons Luzern (10 National- und 2 Ständeräte) auch nach der Schaffung eines GrossLuzerns stabil.
 
Hart ins Gericht stieg Reiner Eichenberger mit dem Schlussbericht der Projektsteuerung zur „Starken Stadtregion Luzern“. Am meisten kritisierte er die unklare, komplizierte Schreibweise: „Schreibt doch bitte Klartext, der Leser will wissen, was Sache ist“! Die Schlussfolgerungen seien nur unzureichend faktenunterlegt. Wenn Grösse mehr Einfluss bringen sollte, bleibe noch immer folgendes offen: Wo genau? Was gibt‘s da zu gewinnen und auf wessen Kosten? Analysen wie jene, die fusionsbedingten Steuersenkungen verliefen kostenneutral, seien naiv. „Für solch einen teuren Bericht darf man mehr erwarten“, resümierte Eichenberger keck.
 
Es gibt viele Alternativen zu Fusionen
Weiter plädierte Reiner Eichenberger für gemeindeübergreifende sog. Zweckgemeinden (FOCJ), mit denen Fusionen umgangen und die föderalistischen Strukturen gewahrt werden könnten. Durch einen offenen Markt für Politiker (ein Politiker ist nicht mehr an einen Wohnort gebunden) könne das Problem des fehlenden Personals in kleinen Gemeinden gelöst werden, ist Eichenberger überzeugt. Zudem seien die Kompetenzen der Rechnungsprüfungskommissionen im Kanton Luzern dahin gehend aufzuwerten, dass diese künftig inhaltliche Vorschläge zu Sachgeschäften einbringen können.
 
Als originellen Lösungsvorschlag bringt Eichenberger die „Fusions-Simulation“ ins Spiel. Danach sei die Effizienz der Leistungen und Prozesse einer Gemeinde zu überprüfen. Sowohl die eigenen als auch die Schwächen des möglichen Fusionspartners sind genau zu evaluieren. Dann sei der ganze Fusionsprozess in Gedanken durchzuspielen, um dann am Schluss nicht zu fusionieren, sondern das daraus Gelernte umzusetzen! Schliesslich bestehe der Vorteil einer Fusionsdiskussion nicht in der Fusion selber, sondern im ausgelösten Denkprozess.
 
Kontradiktorische Podiumsdiskussion
Unter der Moderation von Beatrice Bieri diskutierte Reiner Eichenberger im anschliessenden Podium mit Regierungspräsident Marcel Schwerzmann (parteilos), Kantonsrat David Staubli (GLP) und Kantonsrat Guido Müller (SVP). Die Schwerpunkte: Macht die „Starke Stadtregion“ den Kanton Luzern wettbewerbsfähiger? Verschafft eine Grossfusion Luzern mehr Gewicht in Bern? Führen Grossfusionen zu einem Demokratieabbau? Die Teilnehmer schenkten sich nichts. Es wurde kontrovers, kurzweilig, aber immer fair debattiert.
 
Hier geht's zum Referat von Prof. Dr. Reiner Eichenberger: "Was nützen Gemeindefusionen?"
 
IG Ebikon neu beim Verein GGL
 
Die Delegierten des Vereins Gegen GrossLuzern haben an der Generalversammlung vom 15. Juni 2011 einstimmig beschlossen, die Interessengemeinschaft „Gemeinsam für ein selbständiges Ebikon“ (IG Ebikon) als Mitglied aufzunehmen. Zudem wurde dem Vorstand die Kompetenz erteilt, bis zur nächsten Generalversammlung nach eingehender Prüfung weitere fusionskritische Organisationen aus Adligenswil (Pro Adlige) und Luzern (Zukunftsträchtige Stadt Luzern) als Mitglieder aufzunehmen.
 
Der Verein Gegen GrossLuzern besteht per 15. Juni 2011 aus folgenden Mitgliedern: