Referat von Paul Winiker in der Brauerei Eichhof am 8.8.08
Grenzverlauf Luzern-Kriens
Gemeinde- und Kantonsrat Paul Winiker erläutert den Verlauf der Grenze zwischen Luzern und Kriens, die durch das Sudhaus durchführt. Grenzen seien etwas ganz Normales, führt Paul Winiker aus, denn sie definieren den Verantwortungsbereich. Sie sagen aus, wer wo für was zuständig ist. In jeder Familie gibt es solche Grenzen für die Verantwortung: Bereits die Kinder sind innerhalb ihres Zimmers für die Ordnung verantwortlich. Grenzen sollten nicht ausgrenzen, sollten nicht Schlagbaum mit Zäunen sein, sondern positiv die Verantwortung und die Zuständigkeit definieren. Deshalb sind überblickbare Gemeinden genau das Richtige, weil sie den Bürgern Mitsprache in ihrem unmittelbaren Lebensraum garantieren. Wer die Grenzen zu weit weg von den Bürgern ziehen will, nimmt den Bürgern Einfluss weg. Auch zusammenwachsende Lebensräume sind kein Argument für Fusionen. Es gibt Grossstadtregionen, die liegen sogar in verschiedenen Bundesstaaten (Washington, New York, Kansas City, Cincinati etc.). Auch das Ruhrgebiet in Deutschland ist praktisch eine grosse Stadtregion, doch sind die Städte wie Bochum, Gelsenkirchen, Dortmund, Essen, Oberhausen immer noch souveräne Kommunen.
Zusammenarbeit anstatt Fusionen
Paul Winiker führt aus, dass die Zusammenarbeit in zahlreichen Bereichen in der Agglo Luzern bereits Tatsache ist. Der Verband REAL kümmert sich um die Entsorgung von Abwässern und Abfällen der ganzen Stadtregion. Dazu haben die Gemeinden Kompetenzen weitgehend delegiert. Der Offentlicher Verkehr ist ebenso in einem Zweckverband organisiert und funktioniert nach dem Bestellersystem und Beiträgen an die Unterdeckung, ZSO Pilatus ist die Zivilschutzorganisation der Agglo, der Schiessstand Blatten dient den Krienser, Luzerner und Littauer Schüten. Regionalplanungsverband, Wirtschaftsförderung sind weitere Beispiele von Zusammenarbeit zwischen Gemeinden und Kanton. Weitere Politikfelder für Zusammenarbeit sind in Prüfung. Dies muss ständig neu beurteilt werden. Die Kriterien sind: Effizienz/Wirtschaftlichkeit und Kundennähe/Qualität/politische Einflussnahme.
Zukunftsperspektiven:
Kriens hat nun 26'000 Einwohner und ist die 25 grösste Stadt der Schweiz. Winiker erläutert die Wachstumsprojekte in Kriens: Eichhof Ueberbauung, Wohnüberbauung Lauerz , Schweighof (ex Schwitter, Wohnen), Mattehof (bei S Bahnstation), altes Teiggiareal und Gemeindehausareal/Schuppe, Kriens mit LUPK; Areal alter Pilatusmarkt „Campus mit Hotel, Schule und Büro/Wohnen auf über 42'000 m, Coop/Marazzi). Grösstes Problem in der Entwicklung ist der Verkehr: Ein Schlauch führt durch Kriens und ist passage obligè. Dieser wird auch durch Fusionen nicht grösser… Finanzpolitik: Kanton und Gemeinden konnten Steuersenkungen realisieren, was positiv ist. Allein die Aufgaben vor allem der Gemeinden wachsen ständig. Beispiel Schule: 6% weniger Schüler, 9% mehr Kosten seit 3 Jahren!! Vieles ist vom Kanton oder sogar Bund vorgegeben. Die Gemeinden verlieren wegen dem zunehmenden Zentralismus mehr und mehr Handlungsfreiheit und müssen am Schluss bezahlen für politisch weitab entschiedene Begehrlichkeiten wie Tagesschule, integrative Förderung, Schulsozialarbeit, ausgeweitete Spitex-Leistungen, Fürsorgeleistungen gemäss SKOS Richtlinien etc.
Pro und KONTRA Grosstadtfusion
Kann die fusionierte Grosstadt die Probleme besser lösen? Ich meine NEIN. Die Kriterien sind: Wirtschaftlich sollen Fusionen Kosteneinsparungen bringen. Ist Grösse in der Politik effizient? Oder spielt das wirtschaftliche Gesetz, dass Grösse Skalenerträge ergeben muss? (economies of scale). Ansatz einer Antwort aus meiner Sicht: Nettobelastung pro Einwohner: Luzern ca. Fr. 58'000.--, Kriens ca. Fr. 26'000.--. Aus dieser Statistik kann mehr ersehen, dass die Stückkosten für die Verwaltung bei doppelter Grösse (Luzern vs. Kriens) nicht etwa sinken, sonder steigen. Während Kriens für die Allgemeine Verwaltung lediglich 327 Fr. pro Einwohner ausgibt, so sind es in der Stadt Luzern 430 Fr. Die Zentralleistung könne dafür nicht ins Feld geführt werden, diese werden ehrer in den Positionen Sicherheit, Kultur und Verkehr reflektiert.
Nach Funktionen: |
Kriens |
Stadt Luzern |
|
Allgemeine Verwaltung |
327 |
430 |
Plus 31.5% |
Sicherheit |
56 |
262 |
Plus 367% |
Bildung |
1077 |
769 |
Minus 29% |
Kultur und Freizeit |
127 |
624 |
Plus 390% |
Gesundheit |
21 |
105 |
Plus 400% |
Wohlfahrt /Soziales |
821 |
1051 |
Plus 28% |
Verkehr |
205 |
382 |
Plus 86% |
Umwelt und Raumordnung |
122 |
53 |
Minus 57% |
Steuerkraft |
1350 |
2195 |
Plus 62% |
Steuersatz |
2.00 |
1.85 |
Minus 8% |
Eigene Gedanken („Winiker Theorem“):
Mein Theorem ist: In der Politik funktionieren die Synergien mit umgekehrtem Vorzeichen im Vergleich zur Wirtschaft. Grösse bringt keine Kostenvorteile, sondern mehr Bürokratie und Wasserkopfbildung durch eine Machtverschiebung von den Bürgern zur Verwaltung. Zentralisierung bekommt dem Bürger schlecht (gut für die Regierenden, schlecht für die Regierten). Sonst wäre der zentralistische Staat Frankreich ja der effizienteste. Faktum: Frankreich hat doppelt so viele Beamte wie Deutschland, und Deutschland schlägt uns auch noch um Längen.
Fazit: Nein zum Zentralismus, ja zu einem gesunden Föderalismus. Das Subsidiaritätsprinzip ist hochhalten gegen den Zeitgeist: Die Probleme sind so nah beim Bürger lösen wir nur möglich. Oder anders gesagt: Wenn alle für alles zuständig sind ist niemand mehr für nichts verantwortlich. Erhalten wir uns überblickbare politische Einheiten wie die Kantone und die Gemeinden. Das war und ist das Erfolgsrezept der Schweiz. Zusammenarbeit soll aber nicht ausgeblendet werden: Raumplanung, Verkehr, Entsorgung, etc. sind Politikfelder, wo intensiver über die Gemeindegrenzen kooperiert werden soll. Das geht besser ohne Fusionen. Bei jeder Grossfusion stimmt übrigens der Perimeter nie richtig, wie ein Blick auf die unterschiedlichen Partner bei den Zweckverbänden zeigt.
Paul Winiker
Gemeinde- und Kantonsrat